Viele von uns engagieren sich für zukünftige Generationen. Wir als Menschen handeln – sei es in Form einer ökologisch nachhaltigen Lebensweise, als Klimaaktivist:in oder Ehrenamtliche:r. Doch wen haben wir vor Augen, wenn wir unsere eigenen Wünsche für einen Moment hintanstellen? Welche Gesichter, welche Individuen – mitsamt ihren Vorlieben, Hobbys, Stärken, Schwächen, Sehnsüchten und Ängsten – fassen wir unter den Begriff zukünftige Generationen?
Gewiss denken wir in erster Linie an unsere Kinder. Und deren Kinder. Vielleicht sogar an unsere Urenkel:innen. An jemanden, zu dem wir – hoffentlich – eine Bindung aufgebaut haben oder eines Tages aufbauen werden.
Und der Rest?
Schnell wird klar: Sobald wir keinen persönlichen Bezug zu unserer Nachwelt erkennen, leidet unsere Vorstellungskraft. Und trotzdem messen viele Menschen Nachhaltigkeit eine immer größere Bedeutung zu, stecken zurück, engagieren sich. Überhaupt nicht an morgen zu denken, wäre fatal. Darüber sind sich die meisten einig. „Nach mir die Sintflut“ ist out, wir denken weiter.
Ganz schön viel Empathie für Individuen, die wir gar nicht kennen, oder?
Heute mit Blick auf morgen handeln
Im Gegenteil: Meiner Meinung nach können wir gar nicht genug Empathie für zukünftige Generationen aufbringen. Schauen wir genauer hin.
Der Begriff zukünftige Generationen ist eng verknüpft mit dem der Generationengerechtigkeit. Unser heutiges Handeln trägt maßgeblich dazu bei, wie die Welt noch ungeborener Generationen aussehen wird. Orientieren wir uns hierbei am Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, spielen mehrere Ebenen eine Rolle: die ökologische, die soziale und die ökonomische.
Die Zeiger der ökologischen Uhr verharren auf fünf vor zwölf. Und allerspätestens (!) seit dem Wiederaufleben der Klimabewegung ist allen bewusst, was auf dem Spiel steht: die Zukunft unseres Planeten. Nicht mehr, nicht weniger. Frühere Generationen und wir tragen Verantwortung dafür, in welchem Maße menschengemachte Umweltschäden das Leben unserer Nachfahren bestimmen werden.
Ökologische Nachhaltigkeit ist zweifellos ein dringliches Thema, aber auch soziale Fragestellungen dürfen nicht zu kurz kommen. Solche beinhalten beispielsweise die Entwicklung unserer Gesellschaft, Menschenrechte und Chancengleichheit. Zusammen ergeben sie das soziale Grundgerüst für die Gesellschaft von morgen.
Zuletzt spielt es auch eine Rolle, wie unsere Generation wirtschaftet. Denn: Die Ressourcen der Erde sind endlich, und ebenso unsere sozialen Kapazitäten. Ein auf zukünftige Generationen ausgerichtetes Wirtschaftssystem muss sich mit unternehmerischer Verantwortung auseinandersetzen und Alternativen in Betracht ziehen.
Der Historiker Benjamin Möckel hat einen interessanten Beitrag zu alledem verfasst, den ihr hier lesen könnt.
Zukünftige Generationen weitergedacht
Wie bereits erwähnt, fällt es grundsätzlich schwer, sich Zukunftsszenarien auszumalen. Szenarien, die uns nicht selbst zustoßen werden. Aber vielleicht hilft es, die dazu passenden Gesichter zu zeichnen.
Beginnen wir nicht allzu abstrakt. Wer ist die nächste Generation?
Für mich ist die nächste Generation mein Sohn, der in diesem Moment friedlich neben mir auf dem Sofa schlummert. Er ist bereits hier. Ein Zeuge der Gegenwart, in Fleisch und Blut. Nicht mehr lange, und er wird in unsere Gesellschaft eintauchen, hier zur Schule gehen, erste Schritte in die Arbeitswelt setzen. Er wird schöne Dinge erleben, wenn ihm das Leben Flügel verleiht. Aber ebenso wird er mit Gegebenheiten konfrontiert sein, die Anlass zur Sorge geben: mit einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, gesellschaftlicher Spaltung, sich auch hierzulande häufenden Umweltkatastrophen …
Und sein Sohn oder seine Tochter – meine Enkelkinder? Vielleicht darf ich mich eines Tages zu den Glücklichen zählen, sie kennenzulernen. Dann werden auch sie neben mir liegen, ihre kleinen Händchen um meine geschlungen. Bereit in den Startlöchern des Lebens. Genauso verhält es sich mit ihren Nachkommen. Und ihren. Und ihren. Auch, wenn ich keine konkrete Augenpartie vor mir habe, keine Stimme, nicht einmal die Hautfarbe – es wird sie geben. Wie kann ich ihre Bedürfnisse ignorieren? Was gibt mir das Recht dazu, ausschließlich meinen Zielen zu folgen?
Ich finde: Moralische Verantwortung endet nicht mit unserem Tod. Ob wir es wollen oder nicht, wir hinterlassen genau wie alle Figuren der Geschichte unsere Spuren.
„Was interessiert es mich, was Menschen nach meinem Ableben über mich sagen werden?“, lautet ein beliebter Konter. Ja, dies ist eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen.
Die andere Möglichkeit wäre: Beziehen wir zukünftige Generationen in unser Handeln mit ein – für unseren Planeten Erde, für unsere Gesellschaft.
Oder wenigstens für alles, was wir ihnen sowieso schon schulden.
Spannend? Dann schaut auch einmal hier vorbei: A Fundamental Mistake I Hate To Ever Confess To My Son